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Wie es wirklich sein kann, zu kündigen


Kündigungen gehören zum Personalergeschäft dazu – je nach Rolle ist man mal mehr, mal weniger involviert. Von der Beratung und Entscheidungsfindung im Vorfeld bis hin zum Ausspruch der Kündigung oder sogar dem Vertreten des Unternehmens vor dem Arbeitsgericht kann alles enthalten sein.


Als ich meine ersten zwei Kündigungen umsetzen musste, tobte ein Sturm der Emotionen in mir. Gerade hatte ich neu im Unternehmen angefangen, und schon wurde ich ins kalte Wasser geworfen. Auf der einen Seite handelte es sich dem ersten Anschein nach um nachvollziehbare Business-Entscheidungen, auf der anderen Seite ging es hier um Existenzen. In diesem Spannungsfeld professionell einen Prozess durchzuziehen, bei dem man nur ahnen kann, wie das Gegenüber reagieren könnte, war eine meiner ersten großen Herausforderungen in einer HR Business Partner Rolle.


Da saß ich nun also den zwei Standortleitern gegenüber, die beschlossen hatten, sich gleich von zwei Mitarbeitern auf einmal zu trennen, und versuchte, so viele Informationen wie möglich zu gewinnen. Der Prozess an sich war im Unternehmen klar beschrieben: die Führungskräfte sprechen die Entscheidung aus, sie gehen aus dem Raum und ich trete ein, um das weitere Vorgehen zu besprechen (und Emotionen aufzufangen). Ich war recht zufrieden mit dieser Rollenteilung, da es mich in die komfortable Situation brachte, die Entscheidung nicht vertreten zu müssen, sondern auf das vorhergehende Gespräch verweisen zu können.


Beide Entscheidungen wurden mit mangelnden Leistungen und unerfüllten Erwartungen begründet. Wer sich im Arbeitsrecht auskennt, weiß, das ist dünnes Eis. Es ging also nicht nur um die Trennung an sich, sondern gleich um eine Abfindungsverhandlung. Spoiler: das Unternehmen war so großzügig, dass wir uns nicht vor dem Arbeitsgericht trafen, sondern beide Mitarbeiter die Kündigung klaglos akzeptierten. Mit dazu beigetragen hat sicherlich auch eine sehr lukrative Wettbewerbsvereinbarung, die in der Folge der beiden Kündigungsprozesse noch einmal überarbeitet wurde – es war dann wohl doch zu teuer.

Verhandlungen sind jetzt nicht gerade mein Steckenpferd, aber auch hier gab es einen gut beschriebenen Prozess, wie man Abfindungen berechnet, es gab Grenzen, was geht und was nicht, und im Notfall eine renommierte Anwaltskanzlei, die den Arbeitsgerichtsprozess übernehmen würde.

Alles in allem könnte man meinen, es wäre zwar eine unangenehme, aber doch gut umsetzbare Aufgabe. Wie schwierig es dann für mich tatsächlich wurde, auch emotional, war für mich noch nicht abzusehen.


Kandidat 1, nennen wir ihn Edgar Elektro, war unter anderem für die recht umfangreiche Betriebstechnik zuständig. Mitte 20, zweiter Job nach dem Studium, seit ca. 1 Jahr im Unternehmen tätig. Seine für alle Kollegen erkennbaren Schwierigkeiten, gute Lösungen zu finden, führten zu Ausgrenzungen und es wurde hinter seinem Rücken schlecht über ihn gesprochen. Insgesamt hatten sowohl das Team als auch die Führungskraft quasi die Lust verloren, ihn zu unterstützen – sein Ruf war ruiniert und er hatte eigentlich keine Chance mehr, das Ruder herumzureißen, auch wenn ich noch versucht hatte, Einfluss darauf zu nehmen.


Der Kündigungsprozess war für mich insofern schwierig, als dass er im Gespräch nach der Kündigung weinend vor mir saß und die Entscheidung nicht nachvollziehen konnte. Was ich völlig verstanden habe!


Warum?

Edgar Elektro wurde eingestellt und kurz darauf hatte seine Führungskraft, die ihn auch einarbeiten sollte, einen Unfall, sodass diese mehrere Monate ausfiel. Irgendwie fühlte sich dann keiner mehr dafür zuständig, den neuen Mitarbeiter ordentlich einzuarbeiten. Zu diesem Zeitpunkt herrschte an dem recht neuen Standort eine Start-up-Mentalität vor, das heißt, keine klaren Rollen und zu wenig Ressourcen, also befand sich jeder Mitarbeiter im Firefighter-Modus und versuchte, irgendwie zu überleben. Die Einarbeitung von neuen Mitarbeitern ging in dieser Stimmung völlig unter.

Richtigen Kontakt mit seiner Führungskraft hatte Edgar Elektro erst nach ca. 10 Monaten – allerdings nicht, weil die Führungskraft so lange abwesend war (das waren „nur“ ca. 3 Monate), sondern weil beide keinerlei Beziehung zueinander aufgebaut hatten. Die Probezeit war natürlich längst vorbei, die man für eine Trennung hätte nutzen können. Das eigentlich vorgesehene, regelmäßige Feedback über die Leistung und benötigte Unterstützung fand auch nicht statt. Zusätzlich wurde nie explizit über die Erwartungen an Edgar Elektro gesprochen. Er tat, was er als seine Aufgabe begriff, und versuchte sein Bestes. Dass seine eigene Führungskraft eine ganz andere Vorstellung von der Aufgabe und der Rolle hatte, kam erst heraus, als die Entscheidung gefallen war. Überspitzt könnte man sagen, dass die Führungskraft sich insgeheim über die in seinen Augen schlechte Leistung ärgerte, und irgendwann dann die Entscheidung traf „ich mag nicht mehr“. Dass Edgar Elektro von Anfang an eine klare und enge Führung benötigt hätte, wurde einfach ausgeblendet.


Relativ ähnlich – weil gleiche Führungskraft – war der zweite Fall, nennen wir ihn Ingo Ingenieur. Dieser war Mitte 50, ein gestandener Ingenieur, absoluter Fachexperte auf seinem Gebiet, und ebenfalls erst seit 2 Jahren im Unternehmen. Die Probleme waren ähnlich gelagert: keine Gespräche über Erwartungen oder gar Ziele, kein Feedback zur Leistung, die Entscheidung kam für den Mitarbeiter überraschend.


Ganz anders verlief allerdings der Kündigungsprozess: wo Edgar Elektro traurig und erschüttert war, teilte Ingo Ingenieur im Gespräch erstmal kräftig aus. Wo mir bei Edgar Elektro die Rollentrennung sehr gut half, weil ich mitfühlend sein und doch recht friedlich ablaufende Abfindungsgespräche führen konnte, wurde ich von Ingo Ingenieur mit ätzenden Bemerkungen überzogen und die Rollentrennung durch ihn erheblich angezweifelt. Ich war aus seiner Sicht einfach auch Schuld. Nicht einfacher wurde die Sache dadurch, dass Ingo Ingenieur Zugang zu für das gesamte Unternehmen wichtiger Technologie hatte, und dadurch eine sofortige Freistellung nötig wurde. Konkret sah das so aus, dass ich während der Entscheidungsverkündung durch die Führungskräfte Ingos Zugänge sperren lassen musste, den wutschnaubenden Ingo nach unserem Gespräch an den Kollegen vorbei zu seinem Arbeitsplatz begleiten musste, damit er seine persönlichen Sachen packen konnte, ihn zur Tür brachte, ihm dort den Firmenausweis abnahm und ihm alles Gute wünschte.


Beide Kündigungsprozesse wurden sehr kurzfristig hintereinander durchgezogen. Nach dieser Zeit war ich emotional erstmal durch, hatte aber auf die Schnelle einige extrem wichtige Lektionen für mich gelernt:

  • Eine ordentliche und strukturierte Einarbeitung mit regelmäßigen Feedbackschleifen ist sehr wichtig

  • Führungskräfte können gar nicht explizit genug über ihre Erwartungen an die Mitarbeiter sprechen

  • Hat ein Team das Vertrauen in einen Kollegen verloren und ihm die Unterstützung entzogen, ist daran wenig bis gar nichts mehr zu ändern

  • Die Kombination von ungenügendem Führungsverhalten und nicht zufriedenstellenden Leistungen von Mitarbeitern ist gefährlich, tritt aber gar nicht so selten auf

 

Wie sieht es bei Ihnen aus? Haben Sie einen systematischen Performance Management-Prozess im Unternehmen etabliert?

 

 

 

Übrigens:

Edgar Elektro hatte recht schnell eine andere Anstellung gefunden, die meines Erachtens auch besser zu ihm passte, und sich nach einigen Wochen bei mir für die faire Umsetzung des Kündigungsprozesses bedankt.

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